Nachlese

Unser Veranstaltungsrückblick

Nachlese: Dokumentation Online-Fachtag „Pflege vor Ort“, 21.06.2022

Vor gut einem Jahr ist die kommunale Förderrichtlinie „Pflege vor Ort“ in Kraft getreten. Mit dem FAPIQ Fachtag „Pflege vor Ort“ gab es die Gelegenheit, das erste Jahr Revue passieren zu lassen und in den landesweiten Austausch zu gehen. FAPIQ hatte dazu die Städte und Gemeinden sowie die Landkreise eingeladen. Etwa 70 Vertreterinnen und Vertreter haben am Online-Fachtag teilgenommen. Der Fachtag bot Einblicke in verschiedene Praxisprojekte, die bisher in den Kommunen im Rahmen des Förderprogramms entstanden sind. Möglichkeiten zum Austausch und zur Vernetzung sowie thematische Impulse mit Stimmen aus der Politik und Wissenschaft ergänzten das Programm.

Gleich zu Beginn des Fachtags wurden die Teilnehmenden mit der Frage aktiv eingebunden, welches Thema für die Kommunen wichtig ist, wenn es um Pflege vor Ort geht. Die Bandbreite der Themen ist dabei groß. Am wichtigsten waren den Teilnehmenden die Themen Verstetigung, Bedarfsermittlung und Umsetzung von Praxisbeispielen.

Das anschließende Grußwort sprach Michael Ranft, Staatssekretär im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburgs. Herr Ranft erinnerte an die pflegepolitische Herausforderung des Bundes im Allgemeinen und des Landes Brandenburg im Besonderen: Während die Zahl pflegebedürftiger Menschen steigt, stagniert die Anzahl an verfügbaren Fachkräften. Umso wichtiger ist es, Pflegebedürftigkeit solange wie möglich hinauszuzögern, die Pflegeprävalenz niedrig zu halten, gute Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen für das Pflegepersonal zu schaffen und die vorhandenen Ressourcen strategisch und lokal passgenau einzusetzen. Dabei sind die Kommunen ein entscheidender Akteur der zielgerichteten Steuerung. „Pflege vor Ort“ ist eine Chance, die Kommunen bei der Koordinierung einer vorpflegerischen und pflegebegleitenden Infrastruktur zu unterstützen. Unverzichtbar ist dabei eine Verzahnung unterschiedlicher Angebote und beteiligter Akteure, wie z. B. Pflegediensten oder Ehrenamtliche Abschließend erinnerte Herr Ranft an die Verlängerung des Förderzeitraums für „Pflege vor Ort“ bis mindestens zum 31.12.2023, kündigte die Kreisreise der Ministerin Nonnemacher im Sommer an und verwies auf die angedachte wissenschaftliche Evaluation des Förderprogramms.

Die wissenschaftliche Einordnung der Ziele, die mit dem Programm „Pflege vor Ort“ verbunden sind, übernahm Prof. Dr. Josefine Heusinger. Sie erörterte in ihrem Vortrag das Verhältnis von Kommune und alternder Gesellschaft. Dabei verwies sie sowohl auf die Herausforderungen als auch auf die Chancen, die sich damit ergeben. In der anschließenden Diskussion wurde der mitunter schwierige Zugang zur Zielgruppe angesprochen. Ein solcher Zugang sei unter anderem durch eine direkte Ansprache durch die Kümmerer, deren Sichtbarkeit im öffentlichen Raum und die Einbindung verschiedenster Akteure, wie z. B. Apotheken, Wohnungsgesellschaften, Hausmeister möglich. Für eine passgenaue Bedarfserfassung wiederum empfahl Frau Heusinger ein mehrstufiges Verfahren, das pflegenahe Expertinnen und Experten einbezieht und die Methoden der Sozialraumanalyse nutzt.

Anschließend hob Frau Schütze aus dem Pflegereferat des MSGIV in ihrem Beitrag „Gemeinsam für gute Pflege: Pflege vor Ort im Land Brandenburg“ das innovative Potenzial von „Pflege vor Ort“ hervor und verwies hier auf die „Kommunalen Pflegedossiers“, die wertvolle Daten für eine kommunale Pflegeplanung enthalten. Zudem betonte sie die positiven Rückmeldungen zur Arbeit des LASV. Viele Kommunen fühlten sich von der Landesbehörde im Antragsprozess und darüber hinaus gut unterstützt. Als einen Gelingensfaktor für gute Pflege vor Ort unterstrich Frau Schütze den hohen Stellenwert einer konkreten Ansprechperson, die aktiv auf ältere und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige zugeht, gut vernetzt ist und den Sozialraum aktiv mitgestaltet.

Mit großem Interesse wurde die Vorstellung der Praxisbeispiele verfolgt. Als erstes Projekt stellte Frau Langner aus der Gemeinde Eichwalde das interkommunale Projekt der Gemeinden Eichwalde, Schulzendorf, Zeuthen und Schönefeld vor. Die gemeinsamen Herausforderungen dieser Kommunen, wie der demographische Wandel und die Finanz- und Personalknappheit, führten dazu, diese auch gemeinsam anzugehen. Angelehnt an das Modell „Schwester Agnes“ wurden hier vier „Kümmererstellen“ im Projekt „Pflege im Verbund“ geschaffen. Dabei stehen die Informationsvermittlung und Aufklärung im Zentrum. Wichtig bei einem solchen interkommunalen Ansatz sind eine gute Kommunikation und Abstimmung zwischen den beteiligten Kommunen, eine Person, die die Aufgaben koordiniert, eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit und die Abgrenzung der Projektarbeit zu anderen Angeboten.

Anschließend gewährte die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Trebbin, Frau Schulz, Einblicke in die geförderten Projekte. Auch Frau Schulz verwies mit Blick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen des demographischen Wandels auf die Dringlichkeit, ältere und pflegebedürftige Menschen stärker zu unterstützen. Konkret wurden in Trebbin die Stelle einer Pflegelotsin eingerichtet, die die Zielgruppen rund um das Thema Pflege informiert, und ein Ruftaxiangebot geschaffen, das auf die spezifischen Mobilitätsbedürfnisse pflegebedürftiger Menschen reagiert. Um die neuen Angebote bekannter zu machen, werden aktuell noch MultiplikatorInnen für einige Ortsteile gesucht.

Das dritte Praxisbeispiel aus Königs Wusterhausen wurde von der Projektverantwortlichen, Frau Schwarz, vorgestellt. Hier realisieren gleich vier verschiedene Träger jeweils ein konkretes Projekt. Die Projektideen wurden vorab gemeinsam besprochen und werden aktuell in unterschiedlichen Stadtteilen umgesetzt. Das Beispiel machte insbesondere deutlich, wie wichtig eine gut koordinierte Vorbereitung, eine gezielte Abstimmung der beteiligten Akteure und eine impulsgebende Federführung durch die Kommune ist.

Im letzten Programmpunkt, der Podiumsdiskussion, berichtete zunächst Kerstin Matthes, Sachbearbeiterin „Pflege vor Ort“ vom Amt für Familien und Soziales des Landkreis Ostprignitz-Ruppin, von ihrer Arbeit. Als übergeordnete Koordinierungsinstanz ist der Landkreis bestrebt, eine Pflegestrukturplanung und einen Wegweiser für Jung und Alt zu erstellen, um so den kommunalen Entscheidungsträgern Orientierungs- und Vernetzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. In der abschließenden Diskussion stellten sich Frau Matthes und die Vertreterinnen der erwähnten drei Praxisbeispiele den Fragen der Moderation und der Teilnehmenden. Mit Blick auf die Wirkung ihrer Projekte unterstrichen die Befragten, dass der Kontakt zu pflegebedürftigen Menschen aufgebaut oder intensiviert und so der coronabedingten Einsamkeit erfolgreich begegnet werden konnte. Sinnvollerweise wird diese Arbeit durch eine gezielte Vernetzung der kommunalen, pflegebezogenen und ehrenamtlichen Akteure, wie zum Beispiel den Ortsvorsteherinnen und Ortsvorstehern, Seniorenbeiräten oder den Vereinen flankiert. Es hat sich bewährt, damit bereits in der Vorbereitungsphase einer Projektidee zu beginnen. Ferner kann ein partizipatives Verfahren die Sichtbarkeit und Akzeptanz der jeweiligen Projekte vor Ort steigern. Engagierte Kommunalvertreterinnen und -vertreter können die Initiierung von Projekten oft erheblich beschleunigen. Aber auch zwischen dem Landkreis und seinen zugehörigen Kommunen kann ein reger Austausch und eine gute Kommunikation aktivierend auf diese Kommunen wirken.

Ein wichtiges Zwischenergebnis ist die Erkenntnis, dass auch kleinere Projekte wirksam sein können – und gerade die erfahrene Selbstwirksamkeit könne für die weitere Zusammenarbeit der Beteiligten und den Zusammenhalt vor Ort gar nicht überschätzt werden.

Abschließend wünschten sich einige Teilnehmende eine Handlungsempfehlung für datenschutzrechtliche Fragen, ein landesweites Bürgerportal zur Vernetzung, eine Verlängerung der Richtlinie „Pflege vor Ort“ über das Jahr 2023 hinaus sowie eine bessere Personal- und Finanzsituation in den Kommunen.